2. Oktober 2019 · Arbeitsrecht · Erbrecht · Zivilrecht

Urlaub ist vererbbar

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkennt die Vererbbarkeit eines Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Tod des Arbeitsnehmers nunmehr an.


Mit Urteil vom 22.01.2019 (Az. 9 AZR 45/16) befasste sich das BAG mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch von Arbeitnehmern, wenn das Arbeitsverhältnis durch deren Tod endet.

 

Was ist passiert?

Die Klägerin, die Ehefrau des verstorbenen Arbeitnehmers, klagte als Alleinerbin auf finanzielle Abgeltung offener Urlaubsansprüche ihres Ehemanns gegen die vormalige Arbeitgeberin. Der Erblasser verstarb im laufenden Arbeitsverhältnis. Im Zeitpunkt des Todes standen ihm noch Urlaubstage zu, welche sich aus dem gesetzlichen Mindesturlaub, einem tarfilichen Mehrurlaub sowie einem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zusammensetzten.

 

Vorinstanzen:

Die Vorinstanzen gaben der Klage unter Bejahung eines Anspruches nach § 1922 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 Abs. IV BUrlG statt.

 

BAG-Entscheidung:

Die Revision der Beklagten blieb letztlich erfolglos.

Vorlagebeschluss

Das BAG setzte das Verfahren zunächst aus. Es befragte mit Vorlagenbeschluss den EuGH, ob ein vererbbarer Urlaubsabgeltungsanspruch entstehe, obwohl dies nach den Regelungen des deutschen Erbrechts eigentlich nicht der Fall sei. Denn bis dato ging das BAG davon aus, dass der Urlaubsanspruch als höchstpersönlicher Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 1 BUrlG mit dessen Tod untergehe. Der Tod während des laufenden Arbeitsverhältnisses führe nicht nur zum Erlöschen des Freistellungsanspruchs, sondern auch zum Untergang des Anspruchs auf Zahlung der vereinbarten Vergütung für die Zeit des nicht genommenen Urlaubs. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwerbe der Arbeitnehmer daher keine Vermögensposition, die als eil seines Vermögens mit dem Erbfall auf die Erben übergehen könne.

Der EuGH bestätigte daraufhin noch einmal ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung. Das einschlägige Unionsrecht stehe einer nationalen Regelung, nach welcher bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers die bereits erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub untergingen, ohne dass ein Anspruch auf einen monetären Ausgleich bestehe, entgegen. Sobald das Arbeitsverätlnis ende, sei es nicht mehr möglich weiteren bezahlten Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen. Die einschlägige unionsrechtliche Richtlinie (Art. 7 Abs. 2) bestimme für diesen Fall, dass der Arbeitnehmer eine finanzielle Vergütung für nicht genommene Urlaubstage verlangen könne. Der Grund für die Beeindigung des Arbeitsverhältnisses spiele für den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung keine Rolle.

Richtlinienkonforme Auslegung

Das BAG wies die Revision daraufhin zurück und begründete seine Entscheidung mit einer richtlinienkonformen Auslegung der maßgeblichen nationalen Vorschriften.

Der Erbe kann die Abgeltung des gegenüber dem Erblasser bis zu dessen Tod nicht erfüllten Urlaubsanspruchs verlangen. Der Anspruch auf Vergütung als finanzieller Aspekt des dem Erblasser bei Beeindigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub erlischt mit Eintritt des Erbfalls nicht. Er besteht fort und ist an die Erben abzugelten.

Während der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses untergehe, halte § 7 Abs. 4 BUrlG die Vergütungskomponente des Urlaubsanspruchs als Abgeltungsanspruch selbständig aufrecht. Dies gelte zudem nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gemäß BUrlG, sondern auch für zusätzlichen Urlaub gemäß § 208 Abs. 1 SGB IX (n.F.), auf welchen die Vorschriften über Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs entsprechend anzuwenden seien. Zusatzurlaub teile das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs, es sei denn, tarifliche oder einzelvertragliche Bestimmungen sehen, für den Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vor. Der Grundsatz über die Vererbbarkeit des finanziellen Aspekts des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers gelte daher ebenso für einen etwaigen tariflichen Mehrurlaub des Erblassers, soweit die Tarifvertragsparteien nicht von der Möglichkeit gebraucht gemacht haben, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, vom gesetzlichen Urlaubsbegriff abweichenden Regelungsregime zu unterstellen. Der Abgeltungsanspruch kann insoweit als reiner Geldanspruch jedoch einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen.

 

Konsequenzen der Entscheidung

In der Praxis dürfte die Entscheidung des BAG dringenden Anlass zur Prüfung der Urlaubsbestimmungen in Tarif- und individuellen Arbeitsverträgen geben. Im Rahmen des über den gesetzlichen Mindestanspruch hinausgehenden Urlaubsanspruchs kann nicht nur die Vererbbarkeit, sondern auch der Abfindungsanspruch insgesamt ausgeschlossen werden. Für einen entsprechenden Regelungswillen müssten nach der Entscheidung des BAG deutliche Anhaltspunkte vorliegen, bei deren Fehlen von einem Gleichlauf mit dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs und damit von einer Vererbbarkeit auszugehen sei.

 


Für weitergehende Fragen oder Informationen wenden Sie sich gerne an Herrn RA Daniel Schulz und Herr RA René Hempel.

(DS)