24. Januar 2018 · Arbeitsrecht · Medizinrecht

Außerordentliche Kündigung wegen Weitergabe von Patientendaten

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) hat mit Urteil vom 11.11.2016 – Az.: 12 Sa 22/16 rechtskräftig über die außerordentliche Kündigung zu entscheiden, die der Arbeitgeber, eine radiologische Praxis, aufgrund der unbefugten Weitergabe von Patientendaten gegenüber einer medizinischen Fachangestellten erklärt hatte.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde. Die beklagte Arbeitgeberin beschäftigte im Zeitpunkt der Kündigung 20 Arbeitnehmer. Die Klägerin arbeitete als medizinische Fachangestellte. Im Arbeitsvertrag war folgende Klausel aufgenommen:

„(…) 1. alle Praxisvorgänge sowie die Namen aller Patienten sind geheim zu halten und ihm/ihr überlassene Geschäftsunterlagen bei Ausschieden wieder zurückzugeben. Er ist darüber belehrt, dass die Verletzung der Schweigepflicht strafrechtliche Konsequenzen gem. § 203 StGB nach sich zieht. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“

Die Klägerin war in der Praxis u. a. für die Terminsverwaltung zuständig. Am 22.10.2015 sagte eine Patientin, die der Klägerin als auch der Tochter der Klägerin persönlich bekannt war, einen vereinbarten Untersuchungstermin ab. Die Klägerin rief das elektronisch gespeicherte Terminblatt auf, aus dem sich Name und Adresse der Patientin und auch der zu untersuchende Körperbereich ergab. Die Klägerin fotografierte mit ihrem Smartphone das Terminblatt und leitete das Foto mit Kommentar („mal sehen, was die schon wieder hat…“) an ihre Tochter weiter. Am 09.11.2015 rief der Vater der Patientin in der Praxis an und beschwerte sich, dass die Tochter der Klägerin das WhatsApp-Foto der Klägerin im Sportverein hergezeigt habe.

Der Klägerin wurde fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage. Die Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, dass die außerordentliche Kündigung wirksam sei, weil die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB erfüllt seien. Den Beklagten sei es aufgrund des Verhaltens der Klägerin bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände und beiderseitiger Interessen unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG seien die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst müsse festgestellt werden, ob der Kündigungsgrund „an sich“ geeignet sei, als wichtiger Grund für die fristlose Kündigung zu gelten. In einem zweiten Schritt sei dann zu prüfen, ob bei der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann.

Das Verhalten der Klägerin sei jedenfalls an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, weil die Klägerin eine vorsätzliche Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung begangen habe. Es stelle grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, wenn medizinische Fachangestellte einer Arztpraxis Patientendaten unbefugt nach außen geben. Die Betreiber medizinischer Einrichtungen haben ein gewichtiges Interesse daran, dass auch das nichtärztliche Personal die ärztliche Schweigepflicht gewährleistet, da dieses Basis für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist.

Eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich, weil der Verstoß der Klägerin so schwerwiegend war, dass die Klägerin erkennen konnte, dass die Arbeitgeberin ein solches Verhalten nicht hinnehmen kann. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten sei für eine Arztpraxis so grundlegen, dass jedem Mitarbeiter klar sein müsse, dass das Arbeitsverhältnis in Frage gestellt werde, wenn Patientendaten unbefugt nach außen gegeben werden.

Fazit: Die ärztliche Schweigepflicht ist ein hohes Gut. Ein Verstoß ist für Ärzte nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB sogar strafbar. Als berufsmäßige Gehilfen nach § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB erstreckt sich die Strafbarkeit auch auf das in einer Arztpraxis beschäftigtes Personal.

 

Ansprechpartner:

René Hempel, Rechtsanwalt