16. November 2018 · Zivilrecht

Bonus-Stromtarife

Neue Hoffnungen für Verbraucher bei Bonus-Stromtarifen


In einem (mittlerweile rechtskräftigen) Rechtsstreit vor dem AG Landshut konnte die Kanzlei Graml & Kollegen Rechtsanwälte dem Kunden eines Bonus-Stromtarifanbieters erfolgreich zu seinem Recht verhelfen.

Kurz & knapp

Es häufen sich die Fälle, in denen Stromanbieter neue Kunden mit sogenannten „Bonus-Tarifen“ locken und nach vermeintlicher Erfüllung der Voraussetzungen die Auszahlung der Boni mit Hinweis auf bestimmte Klauseln in ihren AGB verweigern. Beharren die Verbraucher – insbesondere unter Einleitung eines Schlichtungsverfahrens – weiter auf ihrem Recht, überziehen manche Stromanbieter ihre Kunden unvermittelt mit kostentreibenden Klageverfahren.

Was ist passiert?

In der Sache ging es um ebendiese Nichtgewährung des vertraglich vereinbarten Bonusses. Der Anspruch auf den Bonus ergab sich grundsätzlich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über Stromlieferung. Nach den AGB der Klägerin würde diese dem Kunden einen Bonus gewähren „(…), wenn wir Sie zwölf Monate ununterbrochen und berechtigt an der gleichen Abnahmestelle beliefern dürfen.

Nach Ablauf eines Vertragsjahres verweigerte die Klägerin die Auszahlung des Bonusses unter Berufung auf Ziff. 4 Satz 1 der AGB der Klägerin: „Folgende Abnahmestellen werden von uns nicht beliefert: […] Doppel- oder Mehrtarifzähler.“ Der Beklagte hatte eine solche Abnahmestelle mit Doppeltarifzähler.

Der Beklagte hat darauf hin ein Schlichtungsverfahren nach dem Energiewirtschaftsgesetz eingeleitet. In Ziff. 17 der AGB der Klägerin hieß es hierzu: „Wir wollen, dass Sie sich bei uns wohl fühlen. Haben Sie Fragen, Anregungen oder Kritik? Unser Kundenservice kümmert sich um Sie. Gerne können Sie uns auch mitteilen, wenn Sie zufrieden mit uns sind. […] Sollte es mal nicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen, können Sie als Verbraucher ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle Energie beantragen.“ Unmittelbar nach Ankündigung des Schlichtungsverfahrens erhob der Stromanbieter unvermittelt Klage auf negative Feststellung und Kostentragung durch den Beklagten. Der Beklagte erhob zudem Wiederklage auf Auszahlung des Anspruchs.

„Wir wollen, dass Sie sich bei uns wohl fühlen.“

Der Klägerin war von Anfang an bekannt, dass die Abnahmestelle beim Beklagten mit einem Mehrtarifzähler ausgestattet war. Der zuständige Netzbetreiber hatte die Klägerin bereits zwei Wochen vor vereinbartem Lieferbeginn ausdrücklich davon unterrichtet. Dennoch belieferte die Klägerin den Beklagten mit Strom und erfüllte den Vertrag. Der Beklagte bezog den Strom zu jedem Zeitpunkt in einem einheitlichen Tarif. Ein Tarif- und Zählerwechsel fand nicht statt.

Das Gericht sprach dem Beklagten und Widerkläger den vertraglich vereinbarten Bonus in voller Höhe zu. Der Belieferungsausschluss gemäß Ziff. 4 der AGB war nach Ansicht des Gerichts „überraschend“ und damit unwirksam.

Nach Auffassung des Gerichts müsse man davon ausgehen, dass mitnichten jeder Kunde, der über einen entsprechenden Zähler verfügt, genau einzuordnen vermag, wie dieser bezeichnet wird, was es damit auf sich hat und dass gegebenfalls die schiere Existenz eines solchen Zählers zum kompletten Ausschluss einer Belieferung durch einen Stromanbieter führen könne. Zum anderen stehe das fragliche Ausschlusskriterium des Mehrtarifzählers am Ende einer langen Reihe von Beispielen, in denen die Klägerin eine Beliferung ablehnt. Dabei seien die übrigen genannten Beispiele jedoch naheliegender und auch für den Kunden einsichtig. Jemand, der ein Blockheizkraftwerk betreibt, eine Wärmepumpe einsetzt oder Strom mittels Bargeld- oder Chipkartenzählers entnimmt, müsse damit rechnen, dass ein Stromanbieter gegebenefalls Einschränkungen hinsichtlich der Belieferung der fraglichen Abnahmestelle vornehmen wird. Anders liegen die Dinge bei einem Doppel- oder Mehrtarifzähler.

Wer wissentlich den Vertrag bedient kann sich hinterher nicht darauf berufen, dass der Vertrag eingentlich nicht hätte erfüllt werden müssen

Hinzu komme, dass der vormalige Anbieter, der den Beklagten und seinen Haushalt mit Strom versorgte, der Klägerin vor Abschluss des Vertrages mitteilte, dass der Hausanschluss an der fraglichen Verbraucherstelle mit einem Zweitarifzählerausgerüstet ist. Insoweit wäre es nach Auffassung des Gerichts für die Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, vor Bestätigung des Vertragsschlusses und Aufnahme der Belieferung zu erkennen, dass eines der Ausschlusskriterien vorliegt, die aus ihrer Sicht einen Vertragsschluss und insbesondere eine Belieferung ausschließen. Nichtsdestotrotz erfolgte keine Reaktion der Klägerin auf die entsprechende Mitteilung. Vielmehr wurde der Vertragsschluss im Gegenteil hierzu danach sogar ausdrücklich bestätigt. Unter den genannten Umständen könne die Klägerin sich nach Ablauf des Vertragsverhältnisses nicht darauf zurückziehen, dass die Entnahmestelle nach den AGB von Beginn an nicht hätte beliefert werden dürfen und aus diesem Grunde auch ein Bonusanspruch nicht entstanden sei.

 

Für weitergehende Fragen oder Informationen wenden Sie sich gerne an Herrn RA Daniel Schulz und Herrn RA René Hempel.

(DS)