4. Februar 2016 · Arbeitsrecht

Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 23.07.2015 (Az. 6 AzR 457/14) entschieden, dass eine altersdiskriminierende Kündigung gemäß § 134 BGB in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1, 1,3 AGG im Kleinbetrieb unwirksam ist.

Dem Urteil des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde. Die am 1950 geborene Klägerin war bei der Beklagten, einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis, als medizinisch-technische Assistentin angestellt. Neben der Klägerin waren in der Praxis zum damaligen Zeitpunkt (2013) vier weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Die Klägerin war ebenso wie ihre Kolleginnen mit der Terminsverwaltung, Patientenannahme, Praxisorganisation und Verwaltungsarbeiten betraut. Sie führte selbständige Blutentnahmen durch und verabreichte Injektionen. Zuletzt war sie überwiegend im Labor beschäftigt. Bis einschließlich 2009 verfügte die Klägerin über „Fachkunde für Strahlenschutz“ und erbrachte selbständig Röntgenleistungen. Ab 2008 wurde die Abrechnung von Laborleistungen geändert (sog. „Laborreform“), so dass die Beklagte nicht mehr sämtliche Laborleistungen abrechnen konnte und ggf. andere Labore mit der Abrechnung betraut werden mussten. Daher beschlossen die Gesellschafter der Beklagten eine Umstrukturierung der Praxis. Im Rahmen dieser Umstrukturierung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Der Wortlaut der Kündigung lautete auszugsweise:

 

„Seit über zwanzig Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderungen. Inzwischen bist du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt. […] Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis. Wir kündigen deshalb das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Frist zum 31.12.2013 .“

 

Zum 02.01.2013 stellte die Beklagte eine 35-jährige Krankenschwester ohne Laborkenntnisse ein.

Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage und verlangte ihre Weiterbeschäftigung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Revision. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Das BAG entschied, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe, weil die Kündigung eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vermuten ließe. Die streitgegenständliche Kündigung bedürfe zwar nicht der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 und 3 Kündigungsschutzgesetz, da es sich um einen sog. Kleinbetrieb gehandelt hat, so dass der Geltungsbereich des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht eröffnet sei. Es sei aber zu prüfen, ob die Kündigung gegen § 7 AGG verstoße, da eine solche Kündigung nach § 134 BGB unwirksam sei. Durch die Bezugnahme in der Kündigung auf die Pensionsberechtigung der Klägerin, sei eine Benachteiligung wegen ihres Alters zu vermuten. Wird ein Arbeitnehmer wegen der Möglichkeit des Bezugs einer Rente wegen des Alters weniger günstig behandelt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, liege nach Auffassung des Gerichts eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG vor. Die Beklagte habe nicht i. S. d. § 22 AGG nachgewiesen, dass entgegen dieser Vermutung kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz für die Benachteiligung bestanden habe. Bestehe eine Benachteiligungsvermutung, trage die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden sei.

 

Fazit:

Auch bei einer Kündigung im sog. „Kleibetrieb“ ist eine große Sorgfalt auf die Formulierung im Kündigungsschreiben zu legen, um sich nicht dem Vorwurf einer Benachteiligung auszusetzen, die zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen kann.